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Kunst und Kultur bewegen Forschung, Wirtschaft, Bildung – von der Dorf- zur EU Gemeinschaft

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Kunst und Kultur bewegen Forschung, Wirtschaft, Bildung – von der Dorf- zur EU Gemeinschaft
Kunst und Kultur bewegen Forschung, Wirtschaft, Bildung – von der Dorf- zur EU Gemeinschaft - © Lucie Perineau, Macrofermentation, Éditions du Zeehond.

Städtische und ländliche Wiederbelebung durch Kulturarbeit. Diese Art der Intervention auf Policy- und Gemeinschaftsebene ist auf dem gesamten Globus verbreitet und man erkennt vor allem einen Trend, bei welchem Kulturstätten strategisch dazu eingesetzt und vermarktet werden, um Besucher und Touristen aus aller Welt anzuziehen. Aber immer mehr bewegt sich der Trend in Richtung aktiver Partizipation, Kooperation mit lokalen Ressourcen und sektorenübergreifender Zusammenarbeit, die auf Werte und Nachhaltigkeit basieren.

Zeit für Kreativität und Dialog

Im Zuge des „City Marketing“-Trends der letzten 30 Jahre wurde der Fokus auf die Wiedergewinnung und die Neugestaltung des physischen Raumes potenziert und spätestens seit dem  Creative Economy/Creative Spring Konzept von Florida und seinen weitverbreiteten Handlungsempfehlungen auf der Innovations- und Kreativitätsschiene, wurde klar, dass es einer aktiven Beteiligung und Mitgestaltung der Entscheidungsträger auf Policy-Ebene bedarf, um nachhaltige Regionalentwicklung zu betreiben, bei welcher auch die auch die Kreativwirtschaft ihren Platz findet.

Auch wenn Florida selbst seine These mittlerweile in Frage stellt, schreitet die Gruppe der Kreativen, die sogenannte „Creative Class“, im sozialen und wirtschaftlichen Wandel der städtischen und ländlichen  Entwicklungen voran. Sie bringt Inputs durch wissensbasierte Dienstleistung und Innovation und den Austausch mit internationalen Talenten und kreativen Köpfen in den Markt und kann dadurch andere wirtschaftliche Sektoren sowie Denk- und Produktionsprozesse beflügeln. Gleichzeitig ist das die hoffnungsvollste Gruppe, um abgelegene, schön gelegene Abwanderungsgegenden zu revitalisieren. Denn wie aktuelle Forschungen der Universität Innsbruck und speziell von Michael Beismann ergeben (bsp. bald publiziert, 2018, ca. „Foreign Migration in the Alps“, Pettinengo/Pacefuturo-Tagungsband Andrea Membretti), rekrutieren sich einzelne New Highlanders aus genau dieser Gruppe – viele davon nachhaltig wirksam, wenn sie auch in irgendeiner Form  landwirtschaftliche Nutzung unterstützen oder gar selbst (nebenher) betreiben. Es ist hinreichend belegt, dass Einzelne dazu im Stande sind, durch ihre innovativen Ideen einen Aufschwung zu induzieren, vor allem in kleinen Dörfern, deren mehrere 100 Einwohner zur Maximalzeit noch vielleicht 50 bis 80 Einwohner übrig sind – und bereitwillig den Aufschwung mittragen.

Im konventionellen Cultural Policy-Ansatz werden externe Ressourcen angeworben, um sie im Gebiet einzunisten. Das können zum einen Touristen, zum anderen internationale Talente, Firmen sein, oder sich in Form von Hubs und Start Ups zeigen. Durch gezielte Maßnahmen, ist heute vermehrt ein Policy-Wechsel zu erkennen, in welchem verstärkt auf die Beteiligung der lokalen Gemeinschaft und Bevölkerung, auf die Interaktion und den Austausch zwischen Stadt- und Landbewohnern, sowie auf und die Wertschätzung und Sichtbarkeit lokaler Kreativen und Kulturschaffenden Rücksicht genommen wird.

Die Kultur von heute ist das Kulturerbe von morgen

Auf EU-Ebene wird im Zusammenhang mit der Kultur und dem Kulturerbe vor allem das Thema der Identität hervorgehoben.  Beim Sozialgipfels für faire Arbeitsplätze und Wachstum, bei dem sich im vergangenen November u.a. Staats- und Regierungschefs und Sozialpartner in Göteborg versammelten, wird als Kerndiskussionspunkt bei Kultur- und Kreativwirtschaft angeknüpft, um  neben den nachhaltigen Systemen der sozialen Absicherung auch die Förderung des sozialen Dialogs auf allen Ebenen zu betonen. Identität als wichtiger kultureller Faktor wird somit in Zusammenhang mit gut funktionierenden und fairen europäische Arbeitsmärkten gesetzt. Dies spiegelt sich auch in den Bemühungen der EU wieder, wenn es um die Zukunft des europäischen Bildungssystems geht. Angesichts der neuen Herausforderung sollen EU Bürger zukünftig auf allen Generationsebenen vermehrt auf menschenzentriertes Denken und auf soziale und künstlerische Kompetenzen und –Ausdrucksformen geschult werden. Gleichzeitig wird heute die Kreativität als Determinante für die individuelle Gesundheit und das kollektive Wohlbefinden der globalen Gesellschaft an zweiter Stelle gesetzt.

Was geschieht, wenn die Bevölkerung schrumpft?

Es gibt Künstler, die ihre Inspiration darin finden, sich über die Enteignung, Entfremdung oder Verbauung ihres Wohnortes oder ihrer geliebten Ferien- oder Naturräume auf kreativem Wege auszudrücken. Dabei geben sie eine persönliche Sichtweise oder Perzeption des Bestehenden wieder, das öfters von der Kollektivität geteilt wird und/oder zur Debatte anregen kann. So werden kreative Kommunikationskanäle geschaffen, welche es ermöglichen, Gedanken und Empfindungen, aber auch Ängsten und Hoffnungen eine Form uns Sichtbarkeit zu schenken, und dabei die Bevölkerung zum Nachdenken anzuregen und im Idealfall auch dazu, aktiv zu werden.

So entstehen  etwa Cartoon-Hefte gegen die Übervermarktung eines Dorfes, wie etwa jenes von Lucie Perineau, welches Protest gegen die urbane Entwicklung des französischen Alpendörfchens Hauteluce erhebt, das von Jahr zu Jahr mit Wohnsiedlungen aufgerüstet wird. Dies auf Kosten der ländlichen Grünfläche („Macrofermentation“, editions du Zeehond 2018). Eine gewisse Nostalgiabewegt auch den Dokumentarfilm „The New Wild“ von Christopher Thomson. Der englische Schriftsteller und Filmemacher hat sich mit seiner Kamera auf den Weg gemacht und das Phänomen in einem Bergdorf im Friaul beleuchtet. In diesem Fall wird das Phänomen der Abwanderung der Bevölkerung aus den Berggebieten beleuchtet und mit kritischer und zugleich poetischer Erzählkunst dem Publikum nahe gelegt, was daraus geschehen kann, wenn die Gemeinschaft den Lebensraum verlässt oder wiederbelebt. (Trailer: https://vimeo.com/christopherthomson/thenewwild-trailer)

Dank einer Zusammenarbeit mit Eurac Research und dem Regisseur zeigt der Filmclub „The New Wild“ am Mittwoch, 2. Mai um 20.30 Uhr. Im Anschluss an die Vorführung diskutieren Christopher Thomson und Roland Psenner, Präsident von Eurac Research, über die Zukunft der Berggebiete und was notwendig ist, um die entvölkerten Gebiete wiederzubeleben. Der Film wird in englischer Originalsprache mit italienischen Untertiteln gezeigt – der Eintritt ist frei.

 

Autoren: Eleonora Psenner, Michael Beismann

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https://doi.org/10.57708/b22008089
Psenner, E. Kunst und Kultur bewegen Forschung, Wirtschaft, Bildung – von der Dorf- zur EU Gemeinschaft. https://doi.org/10.57708/B22008089

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