Schnelltest für unsere gesellschaftliche Verantwortung: Ein Plädoyer
„Covid-19 ist ein Belastungscheck für den künftigen sozialen Frieden in unserer Gesellschaft“, sagt Günther Rautz, der Leiter des EURAC-Instituts für Minderheitenrecht. Er ist überzeugt: Jetzt liegt es an jedem Einzelnen, etwas zu bewegen – zum Beispiel mit der Teilnahme am landesweiten Schnelltest am kommenden Wochenende.
COVID-19 ist ein Belastungscheck für den künftigen sozialen Frieden in unserer Gesellschaft. Die Auswirkungen des Virus verstärken nämlich das Gefühl, dass die soziale Schere immer weiter auseinander geht und Teile der Bevölkerung auf der Strecke bleiben.
Denn neben der viel zu hohen Rate der vom Virus gesundheitlich betroffenen Menschen gibt es auch eine immer größer werdende Zahl von anderen Covid-19 Opfern.
Nämlich die sozial Schwachen, Ältere genauso wie die ganze Jugend, Eltern schulpflichtiger Kinder, Kleinunternehmer und ganze Wirtschaftsbereiche. Es sind also bestimmte Bevölkerungsschichten unverhältnismäßig stärker betroffen als andere, weshalb man durchaus von einem beginnenden Sozialdarwinismus sprechen kann.
COVID-19 hat unsere Wahrnehmung wie ein Röntgenblick geschärft.
Günther Rautz
War bei Karl Marx „Arbeit noch die Frage des Lebens“, und nach den Weltkriegen bis COVID-19 der Frieden und Menschenrechte entscheidend, so ist heute – spätestens seit der Pandemie – soziale Sicherheit und Gesundheit die Überlebensfrage schlechthin.
Soziale Ungerechtigkeiten betreffen uns alle unmittelbar, weil in einer globalen Welt – ähnlich wie beim Klimawandel – die Auswirkungen sozialer Spannungen fatal für uns alle werden können. Diesbezüglich ist COVID-19 auch eine Chance, denn es hat unsere Wahrnehmung wie ein Röntgenblick geschärft.
Bereits während des ersten Lockdowns im Frühjahr sprachen die österreichischen Bischöfe von der Notwendigkeit einer „Erneuerten Normalität“. Damit meinten sie auch die Zugehörigkeit zu einem größeren Wir. Denn der Spruch „wenn es dem Nächsten gut geht, geht es einem selbst gut“ gilt inzwischen über die Kontinente hinweg für die gesamte Menschheitsfamilie.
Die Pandemie macht einen neuen Sozialkontrakt jetzt nötiger denn je. Und würde von uns verlangen, erworbene Rechte und Privilegien zum Wohle der Benachteiligten zumindest teilweise aufzugeben.
Dieses erzwungene 'Sich-Hineinversetzen' in die Situation eines anderen lehrt uns, dass Wohlstand nicht auf Kosten anderer aufgebaut werden darf.
Günther Rautz
Bedingt durch die COVID-19-Einschränkungen haben sich Menschen quer durch alle Gesellschaftsschichten erstmals so gefühlt, wie sich sozial Schwächere sehr oft fühlen. Dieses erzwungene „Sich-Hineinversetzen“ in die Situation eines anderen lehrt uns, dass Wohlstand nicht auf Kosten anderer aufgebaut werden darf.
Die „Erneuerte Normalität“ braucht also auch das Eingeständnis, dass soziale Ungerechtigkeit zu einer globalen Bedrohung wird.
In den USA haben langandauernde soziale Ungerechtigkeit und polizeiliche Übergriffe gegenüber Schwarzen, die „Schwarzes Leben zählt“ Bewegung ausgelöst. Aber auch wir in Europa laufen Gefahr, dass der Satz „Ich kann nicht atmen“ zur Metapher für mangelnde Solidarität gegenüber der immer größer werdenden Zahl von Menschen wird, die sich von unserer Gesellschaft ausgeschlossen fühlt.
COVID-19 bleibt also der absolute Belastungscheck für unser jetziges Zusammenleben und eröffnet die Chance für eine künftig sozial gerechtere Welt. Eine Chance, die jetzt ergriffen werden muss, damit nicht die gesamte Menschheit schlussendlich auf der Strecke bleibt.
Denn unsere Zivilisation auf dem Planeten Erde wird unabhängig von COVID-19 nur zu retten sein, wenn es zu einem Paradigmenwechsel kommt.
Gerade jetzt ist jeder Südtiroler aufgerufen, einen konkreten Beitrag dazu zu leisten.
Günther Rautz
Aber belassen wir es nicht bei schönen Worten oder reden uns auf die eigene Hilflosigkeit aus. Denn gerade jetzt ist jeder Südtiroler aufgerufen, einen konkreten Beitrag dazu zu leisten.
Schon im Kleinen hat es jeder von uns selbst in der Hand, wenn er Verantwortung für sich und seine Mitbürger übernimmt und nächste Woche (Anm. der Redaktion: vom 20.-22. November) am landesweiten Antigen-Test teilnimmt. Nehmen wir die Herausforderung an und machen wir diesen ersten Schritt!
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Stol.it.
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