Nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung: Südtirol auf zukunftsweisenden Wegen
„Der Mensch ist, was er isst“. Das hat schon der deutsche Philosoph Ludwig Feuerbach (1804-1872) gewusst. Und wenn wir unsere Ernährungsgewohnheiten ehrlich unter die Lupe nehmen, dann sollte diese Aussage heute mehr denn je zu denken geben.
Nicht nur wegen der erschütternden Tatsache, dass über 690 Millionen Menschen auf dieser Welt an Hunger und Unterernährung leiden, während über 1,9 Milliarden übergewichtige Menschen auf diesem Planeten leben. Sondern auch, weil Ernährung in Europa rund ein Drittel der gesamten Umweltbelastung durch Konsum und Produktion ausmacht. Das heißt, mehr als die Bereiche Energie und Mobilität zusammen.
Unsere Ernährungsgewohnheiten tragen maßgebend zum Klimawandel und zum Biodiversitätsverlust bei. Um die gravierendsten ökologischen und sozialen Belastungen zu verringern, muss der Konsum tierischer Produkte, insbesondere von Fleisch- und Milchprodukten, reduziert, Lebensmittelabfälle und -verluste vermieden und der Anteil an ökologisch, fair und regional erzeugten Lebensmittel erhöht werden. Der öffentlichen Beschaffung wird bei der Organisation der Gemeinschaftsverpflegung das Potenzial zugeschrieben, in Märkten Impulse setzen zu können. Ohne die aktuellen Schulschließungen durch Covid-19 mit einzuberechnen, werden in Südtirol mehr als 2,4 Millionen Mittagessen in einem normalen Jahr für Südtirols Schüler in Mensen oder Gasthäusern vorbereitet. Dazu kommen noch täglich tausende Kindergarten- und Schulkinder, Studierende und ArbeitnehmerInnen, die in öffentlichen Mensen verpflegt werden. Diese Anzahl an täglich ausgegebenen Essen stellt ein großes Potenzial dar, das Südtiroler Ernährungssystem in eine nachhaltige Richtung zu lenken.
Um genau dieses Potenzial zu nutzen, setzt sich seit mehreren Jahren in Südtirol eine bunt gemischte Arbeitsgruppe hartnäckig damit auseinander, wie öffentliche Verpflegung in Südtirol nachhaltiger gestaltet werden kann. Mehr ökologische und regional produzierte Lebensmittel auf den Tellern der Kindergarten- und Schulkinder, Studierenden, ArbeiterInnen und SeniorInnen, aber auch kranker und pflegebedürftiger Menschen ist das Ziel. Zwei gut besuchte Tagungen (2019 und 2020) haben das vielschichtige Interesse an dem Thema verdeutlicht. Jetzt liegt die Zusammenfassung der Veranstaltung „Mens(a) sana in corpore sano“ vom 19.11. 2020 in einem Tagungsband vor. Die Tagung hatte das Ziel, dort anzusetzen, wo noch Erklärungsbedarf herrscht. Sie bot eine Zusammenschau von praktischen Beispielen aus der Südtiroler Gemeinschaftsverpflegung und zeigte praxisbezogen, möglichst einfach und verständlich, wie nachhaltige Beschaffung gelingen kann. Betroffene ProduzentInnen kamen genauso zu Wort wie Verarbeiter, VertreterInnen des Handels und Dienstleister. Und die wesentliche Rolle der Gemeindeverantwortlichen, Köche und Köchinnen, aber auch der notwendigen Unterstützung aller an diesem Prozess Betroffenen und Beteiligten, kam dabei klar zum Ausdruck. „Den Gemeinden fällt im Bereich der nachhaltigen Gemeinschaftsverpflegung eine sehr große Verantwortung zu“, erklärte Andreas Schatzer, Präsident des Südtiroler Gemeindenverbandes. Auf den vom Gemeindenverband angekündigten Leitfaden für die öffentliche Verpflegung setzen die TagungsteilnehmerInnen große Erwartungen. Peter Defranceschi, Leiter des ICLEI-Büros in Brüssel betont: „Nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung ist nicht nur mutig, sondern in Italien auch rechtsverbindlich!“, womit er auf die Mindestumweltkriterien anspielt, die in Italien die Rahmenbedingungen für eine ökologische und nachhaltige Gemeinschaftsverpflegung darstellen.
Auf dem Weg sind noch viele Hürden zu überwinden. Von der Verfügbarkeit der Waren, über die kontinuierliche Erfüllung der qualitativen Anforderungen, bis hin zu organisatorischen Aspekten auf allen Ebenen. Doch Thomas Egger, Bürgermeister der Gemeinde Vöran und einer der Referenten der Tagung zur Gemeinschaftsverpflegung bringt es mit den Worten auf den Punkt: „Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg!“
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