PHOTOSTORYWie funktioniert ein Monitoring der biologischen Vielfalt?

Die Arbeit der Forscherinnen und Forscher in Bildern

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Noch vor der Morgendämmerung steht er auf, um sich zum jeweiligen Forschungsstandort zu begeben: Der Ornithologe Matteo Anderle bleibt pro Standort genau zehn Minuten lang mucksmäuschenstill stehen und dokumentiert alle Vögel, die er im Umkreis von hundert Metern sieht und hört. Allein am Gesang kann der Ornithologe feststellen, zu welcher Art ein Vogel gehört – erfasst werden in erster Linie Brutvögel, wovon in Südtirol bislang 130 Arten bekannt sind. Er notiert außerdem, wie viele Individuen jeweils vorhanden sind und ob es sich um Männchen oder Weibchen handelt.

© Eurac Research - Martina Jaider1 / 12
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Aus der Vogelperspektive sieht die Abgrenzung der botanischen Probefläche wie ein Kunstwerk aus. Im größeren Quadrat (100 Quadratmeter) werden alle vorhandenen Arten von Gefäßpflanzen erfasst; im kleineren Quadrat (10 Quadratmeter) wird die Verbreitung geschätzt bzw. ermittelt, wie verbreitet eine einzelne Art in einem bestimmten Lebensraum ist.

An den verschiedenen Standorten des Biodiversitätsmonitorings Südtirol sind die botanischen Untersuchungsflächen unterschiedlich groß und können im Fall von Wäldern bis zu 1.000 Quadratmeter groß sein. Überall vermerkt der Botaniker Simon Stifter alle Gefäßpflanzen, vom Baum bis zum kleinsten Grashalm.

© Eurac Research - Martina Jaider2 / 12
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Für das Monitoring von Schmetterlingen wird ein klassisches Fangnetz verwendet. Der Forscher Elia Guariento geht langsam eine 50 Meter lange gerade Linie – ein so genannter Transekt – ab, fängt Schmetterlinge ein, bestimmt sie und lässt sie dann sofort wieder frei.

Um die vorhandenen Arten zu erkennen, konzentriert sich der Forscher vor allem auf die morphologischen Merkmale der erwachsenen Tiere: die Form der Flügel und deren Farbe, die Form des Hinterleibs, oder die der Fühler.

© Eurac Research - Martina Jaider3 / 12
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Fledermäuse sind hervorragende Indikatoren für den ökologischen Zustand einer Landschaft. Um ihr Vorkommen zu erheben, wird ein spezielles Gerät eingesetzt: der Batlogger.

Der Batlogger zeichnet die Rufe der Fledermäuse auf, die sich im für uns nicht hörbaren Ultraschallbereich befinden. Am Computer können diese Laute dann für das menschliche Ohr hörbar, und als Welle auf dem Bildschirm sichtbar gemacht werden. Die Säugetierexpertin Chiara Paniccia bestimmt anhand der Form der Welle und der Abfolge der wiedergegebenen Geräusche die Arten, die an einem Standort vorkommen.

Im Rahmen des Biodiversitätsmonitorings Südtirol werden die Batlogger über drei Sommernächte installiert.

© Eurac Research - Martina Jaider4 / 12
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Heuschrecken werden jedes Jahr im Spätsommer erhoben: Der Biologe Andreas Hilpold sucht mit einem Fangnetz ein Gebiet von insgesamt 100 Quadratmetern ab. Die Arten werden anhand ihrer morphologischen Merkmale, aber auch anhand ihres Gesangs bestimmt.

© Eurac Research - Martina Jaider5 / 12
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Um die im Boden lebenden wirbellosen Tiere zu erfassen, werden sogenannte Barber-Fallen verwendet. Der Bodenökologe Michael Steinwandter stellt sie an den jeweiligen Standorten auf – jedes Jahr für zwei Wochen.

Die Fallen sind auf die Eigenheit einiger wirbelloser Tiere ausgerichtet: Diesen fehlt nämlich der Sinn für die dritte Dimension, weshalb sie die Leere vor sich nicht wahrnehmen und daher in das darunter liegende Gefäß fallen. Schnecken, Käfer und Spinnen werden dann einzeln im Labor bestimmt.

© Eurac Research - Martina Jaider6 / 12
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Viele Organismen leben unter der Erde und sind daher für unsere Augen unsichtbar. Diese Tiere, die in der Forschung oft vernachlässigt werden, sind eigentlich sehr wichtig, da sie den biologischen Kreislauf der Ökosysteme steuern.

Um diese Organismen zu bestimmen, greift die Bodenökologin Julia Plunger auf eine ausgeklügelte Methode zurück: Sie entnimmt einen Bodenziegel und legt ihn im Labor in ein Trockengerät; Bodentiere haben einen besonderen Sinn für Feuchtigkeit und Orientierung. Sie neigen von Natur aus dazu, sich von der Hitze wegzubewegen. Die Wärme kommt im Trockengerät von oben, wodurch sich die Bodentiere von der Wärme weg nach unten bewegen und schließlich in einen darunter liegenden Behälter fallen.

© Eurac Research - Ivo Corrà7 / 12
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Menschliche Siedlungen bieten völlig andere Lebensbedingungen als alle natürlichen Lebensräume, weshalb hier hochspezialisierte Tier- und Pflanzengemeinschaften zu finden sind. Insgesamt wurden 30 Standorte für das Biodiversitätsmonitoring Südtirol ausgewählt: zehn in größeren Städten und Orten, zehn in kleineren Dörfern und zehn in Industrie- und Gewerbegebieten.

© Eurac Research - Andreas Hilpold8 / 12
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Die Wasserproben werden in Hochgebirgsbächen entnommen, aber auch in Wasserläufen in der Nähe von bewirtschafteten Flächen. Das so genannte Surber-Netz, das für die Probenahme verwendet wird, hat eine sehr feine Maschenweite von 500 µm, so dass auch kleinste Organismen gefangen und bestimmt werden können.

© Eurac Research - Ivo Corrà9 / 12
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Steinfliegen, Köcherfliegen, Eintagsfliegen und verschiedene Familien der Zweiflügler verbringen ihr Larvenstadium unter Wasser, während die erwachsenen Tiere Flügel haben und kurzzeitig außerhalb des Wassers leben, um sich fortzupflanzen. Die Larven haben oft sehr spezifische Lebensraumansprüche und sind daher ideal für die Bewertung des ökologischen Zustands der Gewässer, in denen sie leben.

© Eurac Research/Contrasto - Valeria Scrilatti10 / 12
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In einem Spezialprojekt des Biodiversitätsmonitorings zu Waldökosystemen werden alle vorhandenen Bäume gezählt, katalogisiert und überprüft. Totholz und Spalten in den Stämmen sind Kleinstlebensräume für Insekten, Moose und Säugetiere.

© Eurac Research - Marco Mina11 / 12
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Farbtöne sind in der Natur wichtig! Auch um die organischen und physikalischen Eigenschaften von Bodenproben zu verstehen.

An jedem Standort werden Bohrkerne für chemische und physikalische Analysen entnommen. Damit lässt sich die Bodentextur, die maximale Tiefe eines Bodens und anhand einer Farbskala die Bodenart charakterisieren.

© Eurac Research - Martina Jaider12 / 12

Wie funktioniert ein Monitoring der biologischen Vielfalt?

Die Arbeit der Forscherinnen und Forscher in Bildern

by Giovanni Blandino

2019 war der Startschuss eines groß angelegten Monitorings der Biodiversität, das Eurac Research im Auftrag des Landes in ganz Südtirol durchführt. Es handelt sich um ein italienweit einzigartiges Projekt, was den Umfang und die Vielfalt der beobachteten Lebensräume und Artengruppen betrifft. Aber was bedeutet es in der Praxis, die biologische Vielfalt eines Gebietes zu erheben?

Die Biodiversität zu erfassen und zu beobachten, bedeutet zur gleichen Zeit auch den „Gesundheitszustand“ eines Gebiets zu untersuchen. Die Informationen aus einem solchen Monitoring sind nicht nur für den Naturschutz wichtig, sie sind auch eine wichtige Datengrundlage, um politische Entscheidungen in vielen Bereichen unserer Gesellschaft zu treffen, zum Beispiel in der Raumplanung, dem Umweltschutz oder der Landwirtschaft.

Daten über die biologische Vielfalt zu erheben, geht jedoch alles andere als einfach und schnell. Das Forschungsteam überwacht 320 Standorte in terrestrischen Lebensräumen und 120 in aquatischen Habitaten in ganz Südtirol. Auf Südtirols Fläche von insgesamt 7.400 Quadratkilometern befindet sich eine unglaubliche Vielfalt an Lebensräumen – von steilen Hopfenbuchenwäldern bis hin zu Städten, von Maisäckern bis hin zu Gebirgsbächen, die das Forschungsteam untersucht.

Die Erhebungen, bei denen das Team neben den vorkommenden Arten noch eine Reihe anderer Informationen erfasst, werden mehrmals im Jahr über mehrere Jahre hinweg wiederholt. Auf diese Weise werden Daten gesammelt, die besonders nützlich sind, um den Zustand der Biodiversität eines Gebiets zu verstehen: Das sind Daten zum Vorkommen von Gefäßpflanzen, Tagfaltern, Vögeln, Fledermäusen, Moosen und Flechten, Heuschrecken, zur Süßwasserfauna, zu Käfern, Spinnen und anderen wirbellosen Tieren sowie zu Bodenparametern.

Die „Vermessung” der Natur

Die Herausforderung bei Monitoringprojekten besteht darin, über viele aufeinanderfolgende Jahre hinweg einheitliche Daten zu erhalten. Um den Status quo und in Folge auch die Entwicklungen eines Standorts festzustellen, braucht es große Mengen von Daten, die über einen langen Zeitraum gesammelt werden.

Es ist ein wenig wie in der Klimaforschung: Auch die aktuellen Klimaanalysen basieren auf Daten, die bis zu zwei Jahrhunderte zurückliegen – je länger die Zeitreihen, desto aussagekräftiger sind die Daten.

Bevor das Forschungsteam des Biodiversitätsmonitorings Südtirol mit den Erhebungen begann, recherchierte es zu den weltweit verwendeten Standards und Methoden und wählte die am weitesten verbreiteten und effektivsten aus. Dies ermöglicht auch einen Vergleich der Daten mit Datensätzen außerhalb unseres Landes.

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Die erste wissenschaftliche Publikation

Was kann getan werden, um die Vielfalt der Vögel in den Alpen und anderen europäischen Gebirgsregionen zu erhalten? Es müssen Lösungen gewählt werden, die die kleinbäuerliche Landwirtschaft schützen und fördern, Praktiken, die einerseits ein Mosaik aus verschiedenen Landnutzungsformen fördern, andererseits geschlossene Waldgebiete nicht weiter öffnen. Zu diesem Schluss kommen die Autorinnen und Autoren des ersten wissenschaftlichen Artikels, der auf der Grundlage von Daten aus dem Biodiversitätsmonitoring Südtirol veröffentlicht wurde. Die Besonderheit der Studie liegt in ihrem Ansatz.

„Normalerweise konzentrieren wir uns auf eine einzige Art oder einen einzigen Lebensraumtyp“, erklärt der Ornithologe Matteo Anderle, Erstautor der Studie. „In diesem Fall haben wir die Vielfalt der gesamten Vogelgemeinschaft in den repräsentativsten Lebensräumen der Alpen untersucht. Wir haben die einzelnen Vögel an Forschungsstandorten gezählt, die über ein Gebiet von etwa 7.400 Quadratkilometern verteilt waren, und haben die Arten bestimmt und die charakteristischen funktionellen Merkmale – abhängig von der jeweiligen Landschaft, den topoklimatischen Merkmalen (wie Höhe und Durchschnittstemperatur) und der Art der Landnutzung. Darüber hinaus haben wir insbesondere die Arten auf der Roten Liste (also gefährdete Arten) Südtirols unter die Lupe genommen. Wir wollten wissen, wie verschiedene Merkmale unserer Umwelt das Vorkommen von gefährdeten Arten fördern oder aber verhindern.“

Der Artikel kann hier in voller Länge im Fachjournal „Oecologia” gelesen werden.

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Chiara Paniccia

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Julia Plunger

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