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Klarer Kopf auch auf 5.000 Metern?

Eine Studie überprüft die Leistung von Hubschrauber-Rettungsteams

© Eurac Research
by Valentina Bergonzi

Die Reaktionszeiten sind bei Hubschraubereinsätzen in sehr großer Höhe langsamer (obwohl das niemand der Teilnehmend bemerkt hat). Die übrigen untersuchten kognitiven Fähigkeiten bleiben auch auf 5.000 Metern in der Norm. Dies ergaben Untersuchungen im Extremklimasimulator terraXcube.

Vier Laptops stehen einsatzbereit auf vier Tischen in der großen Kammer des Extremklimasimulators terraXcube. Davor vier Stühle. Abwechselnd nehmen auf ihnen 48 Ärzte, Techniker, Piloten und Hubschraubereinsatzkräfte Platz. Sie stammen aus der Schweiz, aus Deutschland, aus Italien und aus Österreich. Alle unterziehen sich vor den flimmernden Bildschirmen mehrfach den gleichen Tests – jeweils vor und nachdem sie Wiederbelebungsmaßnahmen per Herzdruckmassage an einer Puppe simuliert haben. Die Tests dienen der Beurteilung bestimmter kognitiver Funktionen. Das Forschungsteam beobachtet insbesondere die Risikobereitschaft bei der Entscheidungsfindung, die Daueraufmerksamkeit und die Verarbeitungsgeschwindigkeit der erhaltenen Informationen.
Auch wenn die Tests immer gleich sind, absolvieren sie die Teilnehmenden „randomisiert“, wie es im Medizin-Fachjargon heißt, also nach dem Zufallsprinzip: Einige beginnen auf 200 Metern und befinden sich kurz darauf auf in der Klimakammer simulierten 5.000 Metern. Andere durchleben einen allmählicheren Anstieg von 200 auf 3.000 Meter. Wieder andere beginnen auf 5.000 Metern und sinken dann auf 3.000 Meter und so weiter.

Der Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin Giacomo Strapazzon weist die Testteilnehmener ein.© Eurac Research

„Der einzige Parameter, der sich signifikant verändert hat, war die Reaktionszeit“, erklärt Marika Falla, Neurologin und Forscherin bei Eurac Research und an der Universität Trient. „In einer Höhe von 5.000 Metern sind die Reaktionen langsamer, obwohl das niemand der Teilnehmenden bemerkt hat, wie die Selbsteinschätzungstests zeigen, die wir am Ende jedes Experiments durchgeführt haben.“ Die anderen Parameter blieben stets innerhalb der Norm.
Bergrettungsorganisationen und internationale Flugsicherheitsgremien haben die Ergebnisse der Studie erhalten und werden sie in ihren Leitlinien berücksichtigen.

Die Tests

Zusätzlich zur Selbsteinschätzung ihrer Leistung haben sich die Teilnehmenden drei verschiedenen Tests unterzogen.

Der erste Test, der so genannte psychomotor vigilance test (PVT), untersucht die Aufmerksamkeit der Teilnehmenden durch Messung ihrer Reaktionszeit. Die Testpersonen müssen so schnell wie möglich reagieren – das heißt auf eine Schaltfläche klicken -, sobald ein Stimulus auf dem Computerbildschirm erscheint. Im Falle unseres Tests erscheint ein Rechteck auf dem Bildschirm: Sobald die Zahlen darin zu laufen beginnen, muss man sie mit einem Klick auf die Schaltfläche anhalten, woraufhin die Reaktionszeit in Millisekunden angezeigt wird.

Der zweite Test ist der sogenannte BART-Test (balloon analogue risk task). Er kommt auch bei Personalrekrutierungsprozessen zum Einsatz, wenn die Risikobereitschaft der Kandidatinnen und Kandidaten überprüft werden soll. Auch wird er in der klinischen Forschung bei Untersuchungen zum Verhalten von Jugendlichen verwendet. Der Test besteht aus einem Computerspiel, in dem man einen Luftballon soweit wie möglich aufbläst und so Geld ansammelt. Unterbricht man den Prozess bevor der Ballon platzt, wird einem der Betrag gutgeschrieben. Platzt der Ballon, verliert man alles.
Selbstverständlich weiß man nicht, zu welchem Zeitpunkt der Ballon platzen wird. Während der Studie im terraXcube haben die Teilnehmenden den gleichen Test auf unterschiedlichen Höhenstufen absolviert. Das Forschungsteam konnte so eventuelle Verhaltensänderungen der jeweiligen Testperson unter veränderten Bedingungen feststellen.

© Eurac Research

Der dritte Test schließlich, der so genannte digit symbol substitution test (DSST), dient dazu, die Geschwindigkeit zu messen, mit der Menschen mehrere Informationen verarbeiten. Die Teilnehmenden müssen mehrere Inputs in ihrem Gehirn verknüpfen und erst dann reagieren: Sie erhalten eine Liste mit geometrischen Figuren, denen jeweils eine Zahl von 1 bis 9 zugeordnet ist. 90 Sekunden lang erscheinen einige dieser Symbole in der Mitte des Bildschirms. Die Person muss so schnell wie möglich auf die passende Zahl klicken.

Das Experiment im Zentrum für Extremklimasimulation terraXcube fand in Zusammenarbeit mit der Internationalen Kommission für Alpines Rettungswesen (IKAR) und mit Unterstützung des Weißen Kreuzes statt.

Die Studie


Simulated Acute Hypobaric Hypoxia Effects on Cognition in Helicopter Emergency Medical Service Personnel

Die Autoren haben in einer zweiten Studienphase untersucht, ob die Verabreichung von Sauerstoff in großer Höhe die aufgetretenen Probleme kompensieren könnte. Die Gruppe wertet die gesammelten Daten derzeit aus.

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