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Houston, wir haben ein (Herz-)Problem!

Ein Forscherteam testete unter veränderten Schwerkraftbedingungen ein automatisches Herzdruckmassagegerät, um seine Wirksamkeit bei Weltraummissionen zu untersuchen.

Regina Sablotny
© UZH | Regina Sablotny
by Elena Munari

Mediziner von Eurac Research testeten das automatische Herzdruckmassagegerät LUCAS an Bord eines Flugzeugs, das durch einen Parabelflug eine veränderte Schwerkraft simulierte. Mit der Studie wollten sie untersuchen, ob das Gerät bei Herznotfällen im Weltraum wirksam eingesetzt werden kann.

Im vergangenen Sommer fanden die ersten touristischen Raumflüge statt. Die Anzahl der Menschen, die bisher die Erde umrundet haben, lässt sich an den Fingern einer Hand abzählen, aber nach Einschätzung der neuen Raumfahrtunternehmen wird diese Zahl sehr schnell steigen. So endeten vor wenigen Tagen die Dreharbeiten für einen Film an Bord der internationalen Raumstation. Die kleine russische Besatzung war die erste in der Geschichte, die Schwerelosigkeit erlebte, und wird wahrscheinlich auch nicht die letzte sein. Die Zeiten, in denen sich nur Berufsastronauten in den Weltraum begeben, sind vorbei. Doch wie wird man mit gesundheitlichen Risiken umgehen? Wie wird es den Menschen – physisch gesehen – gehen im Weltraum? Denn Weltraumtouristen haben im Vergleich zu professionell ausgebildeten Astronauten ein höheres durchschnittliches Risiko, in einer Situation mit veränderter Schwerkraft Herzprobleme zu entwickeln. Es kann für die Verantwortlichen der Flüge nützlich sein, die Notfallabläufe und Wiederbelebungspraktiken genau zu überprüfen, auch wenn dies im Weltall komplizierter ist. Zu den Richtlinien für eine korrekt durchgeführte Herzdruckmassage etwa gehört, dass sich diejenigen abwechseln, die sie durchführen, damit die Wirksamkeit der Herzdruckmassage nicht mit der Zeit nachlässt. Diese Vorgabe ist nicht so leicht einzuhalten, weil die Besatzung bei Weltraumflügen stärker beansprucht wird und schneller ermüdet als auf der Erde. Hilfe könnte von automatischen Herzdruckmassagegeräten wie LUCAS kommen, die bereits von einigen Rettungsmannschaften in Hubschraubern und unter anderen schwierigen Umständen eingesetzt werden. Die Forscher Giacomo Strapazzon und Alessandro Forti von Eurac Research beschlossen, das automatische Herzdruckmassagegerät unter veränderten Schwerkraftbedingungen zu testen, um seine Wirksamkeit mit wissenschaftlichen Methoden zu untersuchen. Anhand dieser Daten kann jedes Unternehmen besser einschätzen, ob das Gerät mit an Bord soll, auch in Bezug auf die jeweilige Zusammensetzung der Besatzung.

Die Tests
Der Airbus mit 35 Forscherinnen und Forschern aus der ganzen Welt startete vom Militärflugplatz Dübendorf in der Schweiz. Während des zweistündigen Fluges führte das Flugzeug 16 so genannte Parabelmanöver durch – Steig- und Sinkflüge, die einer bestimmten Flugbahn folgen –, bei denen im Rumpf des Flugzeugs für jeweils 22 Sekunden Schwerelosigkeit herrschte, wie im Weltraum. Die Flugkampagne wird von der Stiftung Swiss SkyLab organisiert, um Institutionen und Unternehmen die Möglichkeit zu geben, Experimente und Studien zur Mikrogravitation durchzuführen. Hierfür wird das Flugzeug wie ein echtes Labor eingerichtet: Jedes Forschungsteam hat einen Arbeitsplatz, an dem es sein eigenes Experiment durchführt; wenn das Flugzeug die richtige Flughöhe erreicht hat, können die Experten mit den Tests beginnen. LUCAS führte während des gesamten Fluges unter genauer Beobachtung der beiden Ärzte von Eurac Research Herzdruckmassagen an der Puppe durch.

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Alessandro Forti and Giacomo Strapazzon testing the cardiac© UZH - Regina Sablotny
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Die Ergebnisse
Die gewonnenen Daten belegen, dass die Herzdruckmassage durch LUCAS während des gesamten Fluges äußerst wirksam durchgeführt wurde, sowohl bei verminderter als auch bei erhöhter Schwerkraft. „Es ist bekannt, dass die herkömmliche Herz-Lungen-Wiederbelebung in der besonderen Situation der Schwerelosigkeit nicht ausreicht, um dieselben Standards wie auf der Erde zu erreichen. Unsere Daten sind der erste wissenschaftliche Beweis für die Wirksamkeit von automatischen Herzdruckmassagegeräten und können eine mögliche Lösung für dieses Problem liefern“, erklärt Giacomo Strapazzon, Leiter des Instituts für Alpine Notfallmedizin von Eurac Research.
Die Ergebnisse sind nicht nur für die Entwicklung der Raumfahrt von Bedeutung. Die Weltraummissionen werden auch für professionelle Astronauten immer komplexer: Die Aufenthalte im Weltraum werden immer länger, und während ein und derselben Mission kann die Besatzung auch auf unterschiedliche Schwerkräfte treffen. Bei Astronauten können Herzprobleme zudem nicht nur körperliche, sondern auch äußere Ursachen haben, wie zum Beispiel Wasser in den Anzügen, die sie bei Weltraumspaziergängen und Wartungsarbeiten außerhalb des Raumschiffs tragen.
Die Tests ebnen den Weg für neue Lösungen bei Herz-Notfällen im Weltraum. Es fehlen noch einige Schritte; das Herzdruckmassagegerät wurde bislang noch nie unter diesen Bedingungen getestet, und seine Verwendung muss nun weiter erforscht werden, bevor es in die Sicherheitsprotokolle für Weltraummissionen aufgenommen werden kann.

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Personalia

An der Spitze des Instituts für Alpine Notfallmedizin von Eurac Research fand kürzlich ein Wechsel statt: Giacomo Strapazzon ist der neue Leiter des Instituts und löst damit Hermann Brugger ab, den Arzt und Forscher, der das Institut 2009 gegründet hat. In den vergangenen zwölf Jahren haben die Forscherinnen und Forscher unter der Leitung von Brugger und Strapazzon als stellvertretendem Leiter wichtige Ergebnisse erzielt: Die Studien zur Wiederbelebung, zu den Auswirkungen von Hypoxie und Hypothermie sind sowohl in der wissenschaftlichen Gemeinschaft als auch unter Alpinisten weltweit bekannt. In den letzten Jahren konzentrierte sich die Arbeit des Instituts auf den terraXcube, eine Infrastruktur, die die extremsten Klimazonen der Erde simuliert und dazu beigetragen hat, neue Gebiete in der Bergmedizin zu eröffnen. Strapazzon wird die Gruppe auf diesem bahnbrechenden Weg weiterführen und neue Ziele erklimmen.

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