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Erstmals beschreibt eine Studie für die gesamten Alpen, wie die Schneebedeckung seit 1971 zurückging

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Unter 2000 Meter verkürzte sich in den Alpen die Schneesaison seit 1971 im Mittel um 22 bis 34 Tage

© Adobe Stock | Joachim Berninger

Joachim Berninger
by Barbara Baumgartner

Die Daten von 800 Messtationen zeigen: Im Frühling liegt in allen Höhenlagen und Regionen weniger Schnee, im Winter vor allem unter 2000 Metern. Dort verkürzte sich die Schneesaison im Mittel um 22 bis 34 Tage.

In den dicht besiedelten Alpen gibt es eine lange Tradition, die Schneehöhe kontinuierlich zu messen, mancherorts reichen die Aufzeichnungen zurück bis Ende des 19. Jahrhunderts. Auch Studien, die anhand dieser Daten langfristige Trends beschreiben, gibt es viele – bislang beschränkten sie sich aber meist auf einzelne Regionen, werteten die Beobachtungen von ein paar Dutzend, höchstens ein paar Hundert Messstationen aus. Ein umfassendes Bild für den gesamten Alpenraum jedoch fehlte bisher. Die Initiative, es zu zeichnen, ging von Michael Matiu und Alice Crespi aus, die am Institut für Erdbeobachtung forschen. Sie gewannen über 30 Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen aus allen Alpenländern für das Vorhaben und koordinierten die gemeinschaftliche Anstrengung, sämtliche verfügbaren Daten zu sammeln und nach einheitlicher Methode auszuwerten.

Über 200 Meter gibt es zu wenige Messstationen, um gesicherte Aussagen für den gesamten Alpenbogen zu treffen.

Die nun in der renommierten Zeitschrift The Cryosphere veröffentlichte Studie beruht auf Beobachtungen von 2000 Messstationen in Italien, Österreich, Slowenien, Deutschland, der Schweiz und Frankreich, und gibt damit ein vollständiges Bild der Schneeverteilung in den Alpen. Von den 2000 Stationen decken 800 die gesamte Zeitspanne von 50 Jahren ab: eine robuste Grundlage, um die Entwicklung bis auf die Höhe von 2000 Metern zuverlässig zu beschreiben – in höheren Lagen gibt es zu wenig Messstationen, um gesicherte Aussagen für den gesamten Alpenbogen zu treffen.
Anhand dieses homogenen Datensatzes sei nun erstmals möglich, „die Schneebedeckung im Alpenraum quantitativ genau zu beschreiben“, erklärt Matiu: „Ihre Verteilung, und was sich in den vergangenen 50 Jahren verändert hat.“ Die Verteilung, so zeigte sich, spiegelt sehr genau die großen Klimazonen der Alpen wider, was zum Beispiel bedeutet, dass im Süden etwa 20 - 30% weniger Schnee liegt als im Norden.

Mittlere Schneebedeckung 2000-2019, aus Satellitendaten© Eurac Research

Und der Schnee nicht nur ungleich verteilt ist: Er geht auch nicht überall in gleichem Ausmaß zurück. Im ohnehin schneeärmeren Süden, etwa in Italien und Slowenien, haben die Schneehöhen unter 2000 Meter in den meisten Monaten deutlich stärker abgenommen als im Norden.
Regionale Trends unterscheiden sich teils erheblich, auch das führt die Studie vor Augen. Längerfristige Veränderungen sind aber in ähnlicher Weise im gesamten Alpenraum zu beobachten: Die 1970er und 1980er Jahre waren allgemein schneereich, gefolgt von einer insgesamt schneearmen Phase Ende der 1980er und Anfang der 1990er Jahre. Seitdem nahmen die Schneehöhen zum Teil wieder zu, erreichten allerdings nicht mehr das Niveau der 1970er Jahre. Und überall gibt es weniger Schnee im Frühling, wie Crespi betont: „Während im Winter je nach Lage und Höhe eine große Bandbreite an Veränderungen festzustellen ist, auch mit vereinzelten Zunahmen vor allem in höheren Lagen, verzeichneten im Frühling fast alle Messstationen Rückgänge“.

Der Rückgang ist eine direkte Folge des Klimawandels.

Unterhalb von 2000 Metern verkürzte sich die Schneesaison in den letzten fünf Jahrzehnten im Mittel um 22 bis 34 Tage; der Boden ist im Winter tendenziell später schneebedeckt, und früher wieder schneefrei, wenn der Frühling naht. Eine direkte Folge des Klimawandels, wie Matiu erklärt: „Wir haben die Zusammenhänge in dieser Studie nicht explizit untersucht, doch ist klar, dass der Schnee auf Grund höherer Temperaturen früher und schneller schmilzt, und Niederschlag als Regen statt als Schnee fällt.“ Gerade für klimatologische Studien bedeutet der umfassende, einheitliche Datensatz ein wertvolles Instrument. Die Autoren machen ihn deshalb der gesamten Forschungsgemeinschaft zugänglich und hoffen, dass er durch künftige Untersuchungen kontinuierlich erweitert werden wird.

Die Studie ist in der Fachzeitschrift "The Cryosphere" erschienen "Observed snow depth trends in the European Alps: 1971 to 2019".

Dieses Projekt wurde durch das EU- Forschungs- und Innovationsprogramm Horizon 2020 unter dem Marie Skłodowska-Curie Fördervertrag Nr. 795310 gefördert.

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