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Radtourismus in Südtirol – Erfolgsfaktoren im Blickfeld

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Radtourismus in Südtirol – Erfolgsfaktoren im Blickfeld
Radtourismus in Südtirol – Erfolgsfaktoren im Blickfeld - © Manuel Demetz
Der Radtourismus hat viele Facetten. Mit breitstolligen Mountainbikeprofilen die Berge befahren, die Alpenpässe in runder Trittfrequenz mit dem Rennrad bezwingen oder auf den Talradwegen mit dem Trekkingrad sich von Ort zu Ort bewegen, ebenso vielseitig wie die Möglichkeiten, Südtirol mit dem Rad zu erleben, sind die Zielgruppen und dementsprechenden Anforderungen.

Der Fahrradmarkt boomt seit Jahren mit überproportionalen Wachstumsraten. Radfahren ist zum Volkssport geworden und hat auch die Touristikbranche in Bewegung gebracht. Alpinen Destinationen bietet der Radsport die Möglichkeit, in der Sommersaison eine bessere Wertschöpfung zu erzielen. Unter anderem können die Liftanlagen so nicht nur von den Wandergästen, sondern auch von Radfahrern genutzt werden. In Österreich, Schweiz, Frankreich und Italien sprießen die sogenannten Bikeparks aus dem Boden, um diese Klientel im Sommer zu bedienen. In den Dolomiten wurde das Produkt ‚Sellaronda‘, eine einzigartige Skirundfahrt im Herzen der Dolomiten, auch auf den Mountainbikesport übertragen. In der MTB-Szene zählte diese Rundfahrt in kürzester Zeit zu einem der Top-Highlights.

Die Geologie Südtirols eignet sich hervorragend, alle drei Zielgruppen – Mountainbike, Rennrad und Genussrad – zu bedienen. Das Klima Südtirols bietet zudem die Chance, je nach Gebiet, über den Radtourismus vor allem die Nebensaisonen zu stärken. Folgende Erfolgsfaktoren könnten ausschlaggebend sein, um die Produktqualität zu verbessern und Südtirol als Fahrraddestination stärker zu profilieren:

Rechtssicherheit Mountainbike (MTB)
Noch immer herrscht bei vielen Touristikern erhebliche Unsicherheit in Bezug auf die rechtliche Situation bei der Ausweisung bzw. Vermarktung der MTB-Strecken bzw. Touren. Die Landesregierung hat im Rahmen eines Abkommens zwecks Haftung mit den Landwirten ein Abkommen verabschiedet, aber dennoch bleibt die Situation unklar. Konsequenz ist, dass Touristiker davor zurückschrecken, Touren-Tipps zu kommunizieren und dies wiederum negative Auswirkungen auf das Marketing hat. Weitere Recherche, Aufklärungsarbeit und Sensibilisierung muss geleistet werden, um hier mehr Klarheit zu schaffen. Dies würde auch einen positiven Beitrag leisten, um die Reibungspotenziale zwischen Wanderern und Bikern zu minimieren.

Autofreie Radtage
Das Einführen von autofreien Tagen ist eine sehr wirksame Maßnahme, um Bevölkerung aber auch Tourismus- und Gastbetriebe für das Radfahren zu sensibilisieren. Wurden bei den ersten autofreien Radtagen in den Dolomiten noch Reißnägel auf der Straße verstreut, um den Erfolg für dieses Event zu verhindern, so hat sich das Blatt bspw. in den Dolomiten schnell gewendet. Heute gibt es nicht nur in den Dolomiten, sondern auch auf das Stilfser Joch, den Mendelpass, in der Stadt Bozen autofreie Tage. Diese Events werden von der lokalen Bevölkerung aber auch von den Gästen sehr positiv aufgenommen und sind mit Sicherheit wichtige Wegbereiter, um möglicherweise die Verkehrsberuhigung weiter zu forcieren und den motorisierten Verkehr auf Routen von touristischem Interesse zugunsten einer Radmobilität einzuschränken.

Radurlaub erfordert Systemlösung
Der Radurlauber ist anspruchsvoll. Eine wirkliche Kundenorientierung erfordert nicht nur ein attraktives Radwegenetz, sondern ein 360 Grad Denken. Gut ausgeschilderte Radwege, Transportmöglichkeiten, spezialisierte Unterkunftsbetriebe, Bike-Guides, Bike-Shuttle Service, Verleih- und Servicestationen, einen integrierten ÖPNV sowie Literatur bzw. Webdienste, welcher in der Lage sind, den Radfahrer in der Reiseplanung und beim Aufenthalt vor Ort zu unterstützen. Diesbezüglich ist in Südtirol viel in Bewegung, aber dennoch sind die Akteure oftmals zu stark von Partikularinteressen geleitet. Dies verlangsamt die Entwicklung von gut funktionierenden Lösungen, obwohl sich der internationale Wettbewerb um die Gunst des Radurlaubers in den vergangenen Jahren deutlich intensiviert hat.

Zukunftspotenzial E-Bike
Die Fahrradindustrie hat das Potenzial von E-Bikes erkannt und erhebliche Mittel fließen in die Forschung & Enwticklung. Mit dem Ergebnis, dass die technischen Anlaufprobleme der Vergangenheit angehören. Das aktuelle Sortiment an E-Bikes überzeugt auch neue Kundensegmente, mit der Konsequenz, dass das Kundenpotenzial weiter ausgebaut werden kann. Längere Laufzeiten der Akkus und vielseitige Fahrradtypologien stehen dem Konsumenten zur Verfügung. Auch einfache MTB-Touren sind mit elektrischer Unterstützung mittlerweile möglich. Vernetzte und einheitliche Systemlösungen bspw. im Verleih sind erforderlich, um als Destination als Ganzes von diesem neuen Trend zu profitieren. Strukturübergreifende Organisationen wie bspw. die Bezirksgemeinschaften aber auch die Mobilitätsagentur, SMG und weitere Know-how Partner wie TIS, BLS und EURAC müssen unterstützend aktiv sein, um Insellösungen auf Ebene von Tourismusvereinen oder auch Verbänden zu vermeiden.

Radwegenetz in Südtirol
Italienweit vorbildlich waren die Bemühungen in Südtirol ein Radwegenetz zu bauen und kontinuierlich auszuweiten, doch nun scheint der Erfolg dieses positive Bild zu verzerren. Die Väter der Radwege waren sich über den positiven Effekt voraussichtlich nicht bewusst, denn heute sind viele Radwege zu eng, zu unübersichtlich. Von Erholung und mehr Sicherheit kann teilweise nicht mehr die Rede sein. Wichtig ist daher, dass auch bei den geplanten allgemeinen Sparmaßnahmen in den zukünftigen öffentlichen Haushalten infrastrukturelle Anpassungen eingeplant werden, denn es wäre schade, wenn die Qualität leiden würde. Negative Kritik haftet lange und Urlauber haben ein gutes Gedächtnis. Statt manchem Ausbau eines Forstweges ist das Geld bei den Radwegen sicherlich gut investiert, denn es sind keine Studien bekannt, die darauf hindeuten, dass der Fahrradtrend in den nächsten Jahren erlahmen sollte. Bewegung, Natur, Gesundheit sind Werte, die sich stark in der Gesellschaft verwurzelt haben.

Fernradwege
Mit der Brennerachse München-Venedig und der Via Claudia Augusta verlaufen zwei der wichtigsten Fernradwege durch Südtirol. Eine optimale Gelegenheit, um Südtirol diesen Radwanderern zu präsentieren. Harald Pechlaner und Michael Volgger von der EURAC haben die Via Claudia Augusta befahren und erstaunlicherweise kaum ‚Touch-Points‘ für ein integriertes Marketing feststellen können. Vielmehr tendiert Südtirol die Via Claudia Augusta zu ‚verstecken‘. Eine solcherart desintegrierte Dienstleistungs- und Erlebniskette wirft kein positives Licht auf Südtirol, handelt es sich bei der Via Claudia Augusta um eine der beliebtesten Fernradrouten Europas. Eine solchen grenzüberschreitenden Projekten offenstehende Haltung würde mit Sicherheit den einen oder anderen Gast motivieren, Südtirol wieder zu besuchen.

Das EURAC-Institut für Regionalentwicklung und Standortmanagement wird sich zukünftig mit dem Thema Rad intensiv beschäftigen, da sich dieses Thema für Entwicklung von Strategien für einen alpinen und sanften Tourismus und auch für die urbane und multimodale Mobilität an Bedeutung gewinnt. Gemeinsam mit dem Städtenetzwerk ‚Südtirol City‘ wird aktuell an der Produktentwicklung ‚Südtirol Radweg‘ gearbeitet. Auch bei der Entwicklung einer digitalen touristischen Grundkarte in Zusammenarbeit mit dem GIS Competence Center der Südtirol Informatik AG wird dem Thema Rad eine besondere Bedeutung zukommen. Es bleibt spannend.

Autor: Manuel Demetz

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Citation

https://doi.org/10.57708/b22008653
Demetz, M. Radtourismus in Südtirol – Erfolgsfaktoren im Blickfeld. https://doi.org/10.57708/B22008653

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