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Tourismus und regionale Produkte: Gast sucht Bauer

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Tourismus und regionale Produkte: Gast sucht Bauer
Tourismus und regionale Produkte: Gast sucht Bauer - © Lena-Marie Lun

Im Drehkreuz von globalen Krisen und touristischem Wettbewerb haben vor allem traditionelle alpine Destinationen den Charme des Regionalen für sich entdeckt. In einer Gesellschaft, die geprägt ist von einem Wertewandel und dem Streben nach einer sanften wirtschaftlichen Entwicklung, trifft das Spannungsfeld Tourismus und regionale Produkte den Nerv der Zeit. Die Sehnsucht nach traditionellen Werten und neuer Lebensqualität spiegelt sich auch im Reiseverhalten der Gäste wieder: gefordert werden Echtheit und Einfachheit, Erlebnis und Erfahrung.

Auf ihrer Suche nach Authentizität und Bodenständigkeit im Urlaub finden die Gäste einen geradezu idealen Anker im Genuss von lokalen Produkten.  Nicht zuletzt auch deshalb, weil die Rückbesinnung auf Regionalität unabhängig von unsicheren, globalen Dynamiken funktioniert und dadurch zu einer Resilienz der Destination und ihrer Angebote beiträgt.

Das Institut für Regionalentwicklung- und Standortmanagement der EURAC beleuchtet das facettenreiche Verhältnis von Tourismus und regionalen Produkte in Südtirol immer wieder aus kritischer Perspektive. In Südtirol entstanden beispielsweise in den vergangen Jahren und Jahrzehnten vielfältige Initiativen an der Schnittstelle zwischen Wein und Tourismus: Südtiroler Weinstraße, Wein.Kaltern, Merano WineFestival, Südtiroler Weinakademie, etc. Dementsprechend ist Harald Pechlaner der Frage nachgegangen, welche Rolle die Aspekte Qualität, Kooperation und Innovation für den Weintourismus in der Region spielen. Die Ergebnisse dieser explorativen Studie zeigen, dass kreative und innovative weintouristische Angebote nur auf der Basis von Netzwerken langfristig Erfolg haben können. Ein gemeinsames Qualitätsverständnis und der Wille zur Kooperation sind grundlegende Voraussetzungen für das Entstehen solch regionaler Netzwerke.

Der Weg vom Bauer zum Gast erfolgt manchmal direkt, oft liegt die Gastronomie dazwischen, oft der Einzelhandel. In jedem Fall bedarf es Partnerschaften, um den Wertschöpfungskreislauf ‚Tourismus und regionale Produkte‘ erfolgreich für eine Destination zu gestalten.

Wie die Organisation dieses Wirtschaftskreislaufes konkret aussehen kann, darum geht es derzeit im Passeiertal. Miriam Weiß begleitet dort im Rahmen des ESF-geförderten Projektes Zukunft 2030 unter anderem den Aufbau eines lokalen Vertriebssystems für landwirtschaftliche Produkte. „Der Weg vom Erzeuger zum Konsument soll gemeindeübergreifend und effizient gestaltet werden und damit zur Etablierung starker lokaler Produktionssysteme beitragen.“ Bauern, Handel und Hoteliers engagieren sich in diesem Prozess und schaffen dadurch einen Mehrwert sowohl für sich als auch für die Gäste der Destination Passeiertal.

Eine weitere innovative Idee im Zusammenspiel von Landwirtschaft und Tourismus, die sich zurzeit in der Umsetzungsphase befindet, ist die Online-Plattform Lokales. Von einer Gruppe junger Forscher, die zum Teil heute noch an der EURAC beschäftigt sind, wurde im Rahmen des EUREGIO Wettbewerbs „Tourismus trifft Landwirtschaft 2013“, die Initiative zur Schaffung dieser Plattform ergriffen. Es handelt sich dabei um ein digitales Schaufenster für die Bauern, die Beherbergungsbetriebe und den Gast. Mattias Martini, Mitglied des Teams rund um Lokales, erklärt: „Wir brauchen innovative Technologien, um dem Gast von heute die Tradition der Südtiroler Landwirtschaft näher zu bringen. Mit unserer Plattform kann der Bauer eine neue Möglichkeit der Direktvermarktung nutzen, da die Gäste einfach und bequem vom Hotel aus heimische Produkte bestellen können. Somit trägt Lokales zur Stärkung der Synergien zwischen Tourismus und regionalen Produkten bei.“

Am Beispiel der Destination Südtirol zeigt sich deutlich die Aufwertung, die eine Region durch die Integration lokaler landwirtschaftlicher Produkte und touristischer Aktivitäten erfahren kann. Wein, Kastanien oder der Apfel sind zentrale Elemente in der touristischen Werbung und Positionierung von Südtirol. Zukünftig werden dabei auch verstärkt Produkte in den Mittelpunkt rücken, denen bisher eher wenig Aufmerksamkeit entgegengebracht wurde. 2010 wurde die Interessensgemeinschaft Kornkammer Vinschgau gegründet, die sich der Getreidekultur und ihrem regionalen Kreislauf widmet. Akteure aus der Landwirtschaft sind dabei genauso wesentlich wie jene aus den Sektoren Tourismus, Handel und Handwerk.

Der Gast findet, was er sucht, und am Ende profitieren nicht nur er, der Bauer, der Handel und der Hotelier, sondern auch die Umwelt: Pflege der Kulturlandschaft und kurze Transportwege tragen zum Nachhaltigkeitsgedanken und zu einer sanften touristischen Nutzung bei.

Autor: Lena-Marie Lun

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https://doi.org/10.57708/b22008689
Lun, L.-M. Tourismus und regionale Produkte: Gast sucht Bauer. https://doi.org/10.57708/B22008689

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