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Ältere Menschen zwischen Smartwatch und Pflegeroboter?

Forscherteam von Eurac Research stellt Ergebnisse einer südtirolweiten Umfrage zum Thema „Alter und Technik“ vor

Kaspars Grinvalds
© Adobe Stock | Kaspars Grinvalds
by Sara Senoner

Die alternde Bevölkerung und die Digitalisierung sind zwei bedeutsame Phänomene unserer Zeit: Auch im Gesundheits- und Pflegebereich werden immer häufiger technische Lösungen zum Einsatz kommen. Um festzustellen, wie moderne Technologien mit und ohne Gesundheits- und Pflegebezug – etwa Smartphones, Fitnessarmbänder und Notfallapps – in Südtirol genutzt werden, hat unser Forscherteam eine repräsentative Umfrage durchgeführt. Interessant: 88 Prozent der Befragten bewerteten Geräte, die die Herzfrequenz übertragen, als nützlich. Nur beim Einsatz von helfenden Robotern sind sie relativ skeptisch.

Die Forscherinnen und Forscher wollten unter anderem herauszufinden, was die Befragten von zukunftsorientierten Assistenzsystemen halten, etwa Geräte, die die Herzfrequenz übertragen oder Roboter, die beim Duschen oder Waschen helfen. Die Ergebnisse der Umfrage sollen als Grundlage für künftige politische Entscheidungen dienen, und zwar, um die Digitalisierung unter Berücksichtigung der Bevölkerungsalterung gesellschaftlich bestmöglich zu gestalten und um gezielte Maßnahmen zu setzen, die älteren Menschen hilfreiche Technologien zugänglich machen.

Ab 40 Jahren wird das Thema Unterstützung der eigenen Eltern immer relevanter; ab 50 oder 60 beginnt man, sich über die eigene Versorgung im Alter Gedanken zu machen und ab etwa 80 gehört man dann selbst zu den hochaltrigen Personen

Ines Simbrig, Forscherin am Institut für Public Management

Ganz oben in der Rangordnung der am häufigsten genutzten Technologien ohne Gesundheits- und Pflegebezug stehen – wenig überraschend – Smartphone (80,6 Prozent) sowie Computer bzw. Laptop (69,7 Prozent). Weit weniger genutzt werden digitale Technologien mit Gesundheits- und Pflegebezug: Nur rund 18 Prozent der Befragten haben eine Notfallapp oder die Immuniapp auf dem Smartphone installiert, nicht einmal 3 Prozent nutzen medizinische Sensoren oder Geräte. Allerdings sind es fast zwei Drittel der Menschen zwischen 80 und 98 Jahren die keinerlei digitale Technologie verwenden – auch kein Smartphone.

Doch gerade im Alter könnten Technologien wie Sturzsensoren, Geräte zur Übertragung von Vitaldaten oder Türöffnungssysteme besonders unterstützend für ein selbstbestimmtes Leben sein.

In Südtirol ist es derzeit nur möglich, im Alter zuhause zu wohnen, wenn man körperlich rüstig ist, beziehungsweise wenn man auf die Unterstützung von Familie und Freunden oder den Hauspflegedienst zählen kann

Ines Simbrig, Forscherin am Institut für Public Management

Doch welche Faktoren beeinflussen in Südtirol allgemein die Akzeptanz von digitalen Technologien? Sowohl die Hauptsprache als auch der Bildungsstand haben einen bedeutsamen Einfluss darauf. Grundsätzlich zeigen die die statistischen Auswertungen, dass Personen mit höherer Bildung digitale Technologien eher nutzen als Personen mit niedrigerer Bildung. Es zeigt sich zudem, dass Menschen mit italienischer Hauptsprache digitalen Technologien aufgeschlossener gegenüberstehen als Personen mit deutscher oder ladinischer Hauptsprache. Und: Je älter die Person, desto geringer ist die wahrgenommene eigene Technikkompetenz – im Hinblick auf die eigene allgemeine Technikakzeptanz ist es hingegen das subjektive Alter, das eine Rolle spielt, d.h. Personen, die sich jünger fühlen, finden eher Gefallen an technischen Neuentwicklungen

Laut dem Forscherteam besteht in Südtirol vor allem Aufholbedarf bei der Informationsverbreitung: Für alle Befragten sind nämlich Verwandte und Bekannte wichtigste Informationsquelle in Bezug auf Technik; bei Hochaltrigen ab 80 Jahren ist es fast die einzige. „Das ist besonders problematisch, wenn Hochaltrige keine Familie oder kein soziales Netzwerk haben, auf das sie zurückgreifen können“, meint Simbrig. „Auf Südtirol hochgerechnet finden übrigens rund 42.000 Personen ab 40, dass sie nicht genügend Informationen zu digitalen Technologien bekommen – eine beachtliche Zahl.“

Hier fordern die Forscherinnen und Forscher entsprechende politische Maßnahmen.

Ältere Menschen sollten einen deutlich höheren Stellenwert bei der Gestaltung der Digitalisierung einnehmen, die Politik sollte außerdem ausreichende Finanzierung für Innovation und Innovationstransfer sicherstellen. Besonders in allen ländlichen Gebieten Südtirols sind zudem mehr Informations-, Beratungs- und Bildungsangebote zu digitaler Technik notwendig

Josef Bernhart, stellvertretender Leiter des Instituts für Public Management

Auch im Bereich Privacy und Datenschutz besteht Aufklärungsbedarf: Während Menschen keine oder nur wenige Bedenken bei der Nutzung von allgemeinen digitalen Technologien haben, sind die Bedenken bei Technologien im Gesundheits- und Pflegebereich größer.

„Überraschend für uns war die Tatsache, dass der deutlich überwiegende Teil der Befragten digitale Technologien zur Unterstützung älterer Menschen eher oder sehr nützlich finden, unter der Voraussetzung, dass der menschliche Kontakt durch sie nicht verringert wird“, so Simbrig abschließend.

Podiumdiskussion


Zum Thema „Wie selbstbestimmtes Leben im Alter gelingen kann“ organisiert das Forschungszentrum Eurac Research eine Podiumsdiskussion. Gäste sind neben dem ehemaligen deutschen Vizekanzler und Bundesminister Franz Müntefering, der bis vor kurzem auch Vorsitzender der Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen BAGSO war, die bayrische Staatsministerin für Familie Arbeit und Soziales Ulrike Scharf und Landesrätin Waltraud Deeg. Gemeinsam mit unseren Forscherinnen und Forschern diskutierten sie darüber, welche Möglichkeiten es im Alter gibt, die Teilhabe am Leben aktiv mitzugestalten und welche politischen Rahmenbedingungen dafür geschaffen werden müssen.

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