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© | Marco Tabilio

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AUA!

Eine Forscherin und ein Zeichner erzählen in einem Comic vom Schmerz

by Barbara Baumgartner

Die Neurobiologin Larissa de Clauser erforscht, wie genetische Varianten in „Nozizeptoren“, den Schmerzsensoren unseres Körpers, die Weiterleitung des Schmerzsignals beeinflussen. Der Illustrator Marco Tabilio beschäftigt sich häufig mit Themen der Wissenschaft, vor allem mit der Krankheit Alzheimer. Gemeinsam haben sie einen Comic über Schmerzen verfasst.

Schmerz ist ein komplexes Thema: Was brachte Sie auf die Idee, es in einem Comic zu vermitteln?

Larissa de Clauser: Als Kind verschlang ich „Mickey Mouse“-Hefte, und später habe ich durch die Zeichentrickserie „Es war einmal … das Leben“ viel über Biologie gelernt. Deshalb dachte ich, mittels eines Mediums wie den Comic könnten Kinder auf unterhaltsame Weise etwas über Schmerzen lernen.

Marco Tabilio: Nach meiner Erfahrung eignen sich Pop-Medien wie Comics oder Animationen sehr gut, um Menschen anzusprechen und zu berühren, auch um komplexe Konzepte zu vermitteln; man kann in die Tiefe gehen und dabei doch eine gewisse Leichtigkeit bewahren. Ich widme einen großen Teil meiner Arbeit dem Thema Alzheimer, und da erlebe ich das auch, etwa in Workshops mit Kindern. Junge Menschen haben einen frischen Geist und schnellen Verstand, was kann man also besseres tun, als sich an sie zu wenden.

Im Comic geht es nicht nur um das körperliche Phänomen Schmerz, sondern auch um damit zusammenhängende Vorurteile.

Larissa de Clauser: Das habe ich hautnah in meiner Familie erlebt. Seit ich ein Teenager war, hatte meine Mutter chronische Schmerzen, was auch dazu beigetragen hat, dass ich in dieser Richtung forsche. Sie hat eine dieser Krankheiten – die bekannteste ist wohl Fibromyalgie – wo beim Patienten körperlich keine Symptome zu erkennen sind, oder nicht mehr, der Schmerz aber weiter besteht. Und diese Krankheiten wurden früher oft mit „alles nur im Kopf“ beschrieben; auch innerhalb der Familie gab es diese Haltung: „Das bildest du dir nur ein“. Mittlerweile wissen wir, dass bei diesen Krankheiten Veränderungen im Nervensystem und oft auch in anderen Organen vorgehen, die wir visuell nicht wahrnehmen. Dazu kommt das Problem, dass die Medizin bis vor etwa zwanzig Jahren stark von Männern dominiert wurde, diese Krankheiten aber häufiger bei Frauen auftreten – weshalb man ihnen nicht viel Bedeutung beimaß. Auch diesen Aspekt wollten wir im Comic ansprechen, was Marco gut gelungen ist, indem er eine weibliche Hauptfigur gewählt hat.

Eine kampflustige Fußballerin, die sich gar nicht zimperlich ins Ballgefecht stürzt…

Marco Tabilio: Die Geschichte anhand eines Frauenfußballteams zu erzählen, hat mir viel Spaß gemacht; einmal, weil das Thema für mich als Zeichner neu war (zur Inspiration habe ich mir „Holly & Benji“-Folgen aus meiner Kindheit angesehen!), zum anderen ist es immer interessant, Erwartungen über den Haufen zu werfen: Frauenfußball klingt immer noch recht ungewöhnlich, aber das ändert sich zum Glück. Ich finde es interessant, den Blickwinkel auf die Frauen zu richten, denn die weibliche Schmerzerfahrung wurde jahrelang missverstanden und heruntergespielt, und auch heute noch ist häufig das unerträgliche Klischee zu hören: „Das musst du doch aushalten – sei kein Mädchen!“

Oft ist es schwierig, die richtigen Worte zu finden, um Schmerzen zu beschreiben.

Larissa de Clauser

Der Comic soll Verständnis für Menschen mit chronischen Schmerzen wecken – auch Neugierde auf Forschung?

Larissa de Clauser: Das steht in der Geschichte nicht im Vordergrund, war aber auch ein Ziel: Also aufzuzeigen, dass wir diese Dinge nur wissen, weil es Forschung dazu gab und gibt.

Marco Tabilio: Die Schmerzforschung hat bisher in unserer Vorstellungswelt eigentlich keinen besonderen Platz – wenn man an den klassischen Wissenschaftler denkt, fallen einem andere Arten von Forschung ein. Zur Zeit ist die Forschung zu Viren natürlich Thema vieler Darstellungen.

Larissa de Clauser: Schmerzforschung ist aber gerade wieder im Trend, es widmen sich ihr auch zunehmend mehr Wissenschaftler. Ich denke, der Comic kann schon Interesse dafür wecken – vor allem bei jungen Menschen, die vielleicht jemanden in der Familie haben, der chronische Schmerzen hat, oder jemanden kennen. Und das ist gar nicht so unwahrscheinlich: Schon heute hat weltweit einer von fünf Menschen chronische Schmerzen – und mit einer zunehmend älteren Bevölkerung wird das wahrscheinlich noch zunehmen.

Kürzlich haben sie den Comic in Bozen präsentiert, und wer wollte, konnte mit Ihrer Hilfe ein Bild seines Schmerzes zeichnen, Herr Tabilio – war das Ihre Idee?

Marco Tabilio: Nein, aber sie hat mich sofort begeistert!

Larissa de Clauser: Der Hintergrund ist der: Wenn wir Schmerzen haben, ist es oft nicht einfach, die richtigen Worte zu finden, um sie zu beschreiben – besonders für Kinder kann das eine Schwierigkeit sein, weil sie über weniger Sprache verfügen. Aus diesem Grund hat sich bei einem Projekt in England eine Gruppe aus Wissenschaftlern und Künstlern mit Patienten zusammengesetzt und etwa 50 Zeichnungen angefertigt, die verschiedene Arten von Schmerz darstellten. Dieser Zeichnungen konnten sich dann andere Patienten bedienen, um ihre Schmerzen zu beschreiben.

Haben Sie selbst ein Bild im Kopf von einem Schmerz, der Ihnen wohlbekannt ist?

Larissa de Clauser: Ich habe oft kalte Hände und Füße. Wenn ich zum Beispiel im Winter beim Fahrradfahren die Handschuhe vergesse, dann kommt zuerst ein Kältegefühl auf, manchmal spüre ich dann gar nichts mehr, und dann fangen meine Hände auch noch an zu brennen! Die Wissenschaft weiß noch nicht genau, wie das funktioniert – dass Kälte sich wie Hitze anfühlt. Es kann damit zusammenhängen, dass wir sensorische Neuronen haben, die mehrere Arten von Reizen erkennen (zum Beispiel eben Hitze und Kälte), oder aber auch damit, dass im zentralen Nervensystem zum Teil dieselben Nervenzellen Kälte- und Wärmereize weiterleiten.

Marco Tabilio: Ein Schmerz, der mich verfolgt, ist der eines eingewachsenen Zehennagels: ein böser Kobold, der einen dünnen Nagel in meinen großen Zeh schlägt!

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Zeichner Marco Tabilio stellt sich den Schmerz eines eingewachsenen Zehennagels als bösartigen Gnom vor, der den Nagel durchbohrt.
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Kälte, die brennt: So stellt sich Forscherin Larissa de Clauser den Schmerz vor, den sie fühlt, wenn sie im Winter ohne Handschuhe Fahrrad fährt.
iconDer Comic

AUA! Ein Comic über Schmerzen

Autorin und Autor:
Larissa de Clauser, Institut für Biomedizin, Eurac Research
Marco Tabilio, Zeichner

Dieser Comic ist im Rahmen eines Projekts entstanden, das durch das Programm „Seal of Excellence“ von der Autonomen Provinz Bozen finanziert wurde.

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