Daniele Vettorato

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„Smarte“ Städte für mehr Lebensqualität

Interview mit Daniele Vettorato zur Zukunft der Städteentwicklung

Annelie Bortolotti
© Eurac Research | Annelie Bortolotti

Was bedeutet es für eine Stadt, "smart" zu werden?

Vettorato: Es bedeutet, ausgehend von den Bedürfnissen der Bürger eine effiziente und nachhaltige Stadtentwicklung zu planen – mithilfe fortschrittlichster Informationstechnologien.

Geht man die städtische Entwicklung denn nicht schon jetzt auf diese Weise an?

Vettorato: Seit etwa zehn Jahren haben Infrastrukturen für Netzwerke und Sensoren in den Städten Einzug gehalten. Aber erst in den letzten Jahren ist klar geworden, dass Technologien allein noch keine Smart City ausmachen. Solche Systeme funktionieren nur dann optimal, wenn sie auf die Bedürfnisse der Nutzer ausgerichtet sind. Es funktioniert nicht, sie von Oben herab einzuführen, denn die Bürger werden Schwierigkeiten haben, sie zu nutzen. Das Planen einer Smart City erfordert einen kooperativen Prozess zwischen Öffentlichkeit, Privatwirtschaft und Menschen.

Was bringt die Umwandlung in eine Smart City?

Vettorato: Die Technologie hilft uns, die Dinge besser zu verwalten: Ein fortschrittliches Netzwerk von Sensoren beispielsweise ermöglicht den Verwaltungen, die aktuelle Situation in der Stadt in Echtzeit zu überblicken und so Verkehr, Beleuchtung, Müllabfuhr gut zu koordinieren – und damit gleichzeitig die Luftqualität und Sicherheit zu verbessern. Das Konzept der Smart City umfasst jedoch viele andere Bereiche: Energieerzeugung und -verbrauch in allen Bereichen, Mobilität, Zugang zu öffentlichen Dienstleistungen, Dialog zwischen Verwaltung und Bürgern. Innovation in diesen Sektoren bringt die Unternehmen zum Laufen und verbessert ihre Leistungsfähigkeit, schafft Arbeitsplätze und generiert Einkommen für die Bürger. Ein Beispiel dafür sind die großen Gebäudesanierungen, die darauf abzielen, den Energieverbrauch und die Emissionen von Gebäuden zu reduzieren. Der Übergang zur Smart City ist – aus allen Blickwinkeln – ein Übergang, der Vorteile bringt, nicht nur, um effizienter mit der Umwelt umzugehen und sie zu schützen. Ein „smarter“ Entwicklungsentwurf ermöglicht es auch, viele latente Möglichkeiten mit bedeutenden wirtschaftlichen Nebeneffekten für die Region zu nutzen. Dies ist ein wichtiger Aspekt, der bei den Entscheidungen der Verwaltungen und auch in der Kommunikation mit den Bürgern berücksichtigt werden muss. Obwohl der Klimawandel als Problem immer mehr wahrgenommen wird und die Aufmerksamkeit für die Umwelt zunimmt, sind die Menschen eher bereit, ihre Gewohnheiten zu ändern, wenn sie glauben, dass sie auch ein gewisses wirtschaftliches Wohlergehen erreichen können.

Heute gibt es in Europa 46 Forschungsprojekte zu Smart Cities in ebenso vielen Städten. Trient und Bozen gehören dazu, und wir sind diejenigen, die die Verwaltungen unterstützen.

Gibt es auch Verlierer?

Vettorato: Wenn die öffentlichen Dienste in einer Stadt funktionieren, die Luftqualität gut ist und es den Menschen wirtschaftlich gut geht, leben alle besser. Natürlich sind diejenigen, die mit dem Internet und Smartphones nicht vertraut sind, von einer Reihe von Informationsdiensten abgeschnitten, die zum Beispiel über Apps zugänglich sind.

Ist unsere Privacy der Preis, den wir für die Vorteile zahlen?

Vettorato: Zum Teil, ja, aber bei strengen Vorschriften für die Verwendung von Daten – hier ist Europa glücklicherweise weit voraus – ist das Verhältnis von Nutzen und Risiko sehr gut.

Wie sollte sich eine Verwaltung bewegen, die eine Umwandlung in eine Smart City ins Auge gefasst hat?

Vettorato: Die Zusammenarbeit mit der Forschung ist von grundlegender Bedeutung. Denn es geht hier um eine Umwandlung um 360 Grad, die das Regierungssystem verändert, Prozesse der Bürgerbeteiligung, Datenerfassungssysteme und vieles mehr einführt. Das sind sensible Bereiche, die spezifische Kompetenzen erfordern. Forschungszentren, die bereits in verschiedenen Smart City-Projekten auf europäischer Ebene arbeiten, können die Verwaltungen im Entwicklungsprozess begleiten und dabei jeweils alle Möglichkeiten aufzeigen. Der Start solcher Projekte ist teuer, weil neue Technologien und Ansätze erprobt werden; deshalb sind auch europäische Mittel wichtig. Heute gibt es in Europa 46 Forschungsprojekte zu Smart Cities in ebenso vielen Städten. Trient und Bozen gehören dazu, und wir sind diejenigen, die die Verwaltungen unterstützen. In diesen beiden Städten bieten sich auch große Energieversorgungsunternehmen als Partner der Verwaltungen an: Sie investieren beispielsweise in die Erneuerung des Energiesystems oder der Stadtbeleuchtung und decken dies durch mehrjährige Betriebs- oder Energielieferverträge.

Welches sind die besten Beispiele für Smart Cities in Europa?

Vettorato: Wien hat auf die Entwicklung eines guten Regierungssystems gesetzt und eine Agentur eingerichtet, die mit der Stadtverwaltung, aber auch mit Forschungsinstituten und Universitäten zusammenarbeitet. Ein besonders interessantes Projekt ist auch Evora in Portugal: Hier hat man sich speziell auf die smarte Enwicklung des historischen Zentrums konzentriert – das könnte für viele europäische Städte ein interessantes Modell sein.

Und wo steht Bozen in der Entwicklung?

Vettorato: In Bozen haben wir gerade das erste große Projekt zur Smart City abgeschlossen. Einige Stadtviertel haben einen großen Sprung gemacht dank der massiven energetischen Sanierung von Sozialwohnungen, der Erweiterung des Fernwärmenetzes und des Installierens eines dichten Netzes von Sensoren. Die wichtigste Änderung war jedoch der Ansatz: Die Stadtverwaltung hat mit einem sehr viel größeren synergistischen Ansatz begonnen zu arbeiten (sowohl zwischen den Ämtern als auch mit Partnern in der Region) und mit einer langfristigen Perspektive; das sind die Grundpfeiler, wenn es um Smart Cities geht. Jetzt können neue Projekte folgen; und man beabsichtigt auch, weiterzumachen.

Daniele Vettorato

Daniele Vettorato leitet die Forschungsgruppe „Urbane und regionale Energiesysteme“ am Institut für Erneuerbare Energie von Eurac Research (Bozen). Seit 2017 ist er Mitglied im Vorstand von ISOCARP, der internationalen Vereinigung der Stadt- und Regionalplaner. Er gehört zu den Experten des Tasks SHC 63 und EBC 83 der Internationalen Energieagentur zu Solarenergie, Stadtplanung und Positiv-Energie-Bezirken. Er ist wissenschaftlicher Leiter von zwei europäischen „Smart City and Communities“-Projekten (in Bozen und Trient).

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